Die Sache mit der Perspektive

 Birgit Dörnen
 13 Februar 2017
 dorondolon

Die Spielfläche für die Szenen unserer Marionettenbühne liegt ungefähr auf Tischhöhe. Da kann es ab der dritten Reihe schon mal mühsam werden, alles mitzubekommen, was sich vorne so zeigt: der kleinen Frosch im Gras auf dem Heimweg des verlorenen Sohnes oder die Kakerlake zwischen den Mülltonnen auf dem römischen Hinterhof bei Onesimus. Wie gut, dass die meisten Gemeinden zwei oder drei Stufen haben und die Sicht über die Köpfe hinweggehen kann. Manche Bürger- oder Stadthallen haben einen Bühnenbereich, der alleine schon eine Tischhöhe übertrifft. Bauen wir darauf noch unsere Konstruktion auf, sitzt der Frosch praktisch zwei Tische übereinander hoch an seinem Platz und ist aus dem Blickwinkel eines sitzenden kleinen Menschen auch nicht zu erkennen. Das Rasiersitz-Phänomen.

Eine andere Tücke der Perspektive sind die vorderen Plätze an den Seiten. Manch ein Schlauer zieht seinen Stuhl, nur um auch Teilhaber der ersten Reihe sein zu dürfen, noch schnell an den Rand unseres gestellten Halbkreises vor. Und bedenkt dabei nicht, dass er sich hier genau den Blickwinkel in eine Ecke verbaut. Er entdeckt nicht die Wandlampe über dem Webstuhl in Philemons Haus. Oder die ekelige Spinne am Balken im Schweinestall. Nicht die Gießkanne an Zachäus Gartenzaun oder das Schwelmer-Bier-Plakat hinter der Theke im Wirtshaus. Der Tipp: je weiter nach hinten, umso größer kann der Radius der Stuhlreihe sein, und desto offener der Blick in den trapezförmig angeordneten Szenenraum.

Ja ja, die Sache mit der Perspektive! Man erfasst längst nicht alles. Es ist wie mit dem Begreifen der geheimnisvollen Dinge Gottes. Manchmal stehen uns Menschen und ihr Verhalten im Weg. Manchmal eigene Positionen, auf denen wir beharren. Unsere Sichtweisen, unsere Erkenntnisse, der Ausschnitt unserer Bilder – und wir denken, wir hätten es begriffen. Gott ist immer noch anders.

Immer wieder hören wir, es seien besondere Momente, wenn Figuren aus dem Theater herauskommen und unter die Zuschauer gehen. Hier klettern sie an Stuhlbeinen hoch auf den Schoß von Papa. Schauen in die Tasche von Mama. Krabbeln hinterrücks über die Schulter vom Opa und winken in die Runde. Hier schüttelt man ihnen plötzlich die Hand und streichelt ihnen über den Kopf. Das ist mit einem Mal wie echte Beziehung und nicht wenig emotional. Wie wird das wohl sein, wenn wir einmal Jesus eins zu eins, Auge in Auge gegenüberstehen und ihn in echt so sehen, wie er wirklich ist?

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